Uhren

Der Markt der Luxusuhren - Die aktuellen Entwicklungen der Uhrenbranche und die Auswirkungen auf Vertriebsmodelle und Käuferverhalten

Der Markt für mechanische Luxusuhren ist seit den späten 1980er Jahren von einer eindrucksvollen Erfolgsgeschichte geprägt. Dabei erlebte die traditionsreiche Schweizer Uhrenindustrie noch in den siebziger Jahren ihre schwerste Krise. Obwohl die weltweit erste Quarzuhr 1967 in der Schweiz vorgestellt wurde, waren es in den Siebzigern und frühen Achtzigern die Japaner, die massenhaft Armbanduhren mit der neuen, viel präziseren Technik zu günstigen Preisen verkauften. In der Schweiz – und auch in Deutschland mit Pforzheim als dem damals bedeutenden Standort – setzte man zu sehr auf die veraltete Mechanik. Die Folge: Allein in der Schweiz gingen rund zwei Drittel der insgesamt 90.000 Arbeitsplätze verloren; viele Betriebe gaben auf, traditionsreiche Marken gingen unter. Der Weltmarktanteil der Schweizer Uhrenhersteller, der in den 1960er Jahren noch bei über 50 Prozent gelegen hatte, sank nach 1978 auf 24 Prozent. Parallel dazu gaben auch am deutschen Standort Pforzheim immer mehr Hersteller von Armbanduhren auf.

Doch im Laufe der achtziger Jahre fand eine Gegenbewegung statt: Immer mehr wurde die mechanische Uhr mit ihrer eigentlich veralteten Technik zu einem Thema für Sammler. Die Liebhaber mechanischer Uhren schätzten die Handwerkskunst und den technischen Aufwand, den ein mechanisches Werk im Gegensatz zum als eher seelenlos empfundenen Quarzwerk besitzt. Marken wie Rolex, Blancpain, Chronoswiss und andere wurden zu treibenden Kräften der „Mechanik-Renaissance“. Bald wurden in Deutschland Special-Interest-Magazine gegründet, die sich an deutschsprachige Liebhaber mechanischer Uhren wendeten: 1989 das Uhren-Magazin, 1992 Chronos und 1993 Armbanduhren.

Im Laufe der 1990er Jahre etablierte sich die Mechanikuhr auf breiterer Basis. Während Quarzuhren vor allem durch ihren niedrigen Preis erfolgreich waren, kam für Luxusuhren bald nur noch ein hochwertig gefertigtes mechanisches Werk als Motor infrage.

Richtig ins Rollen geriet die mechanische Luxusuhr ab dem Jahr 2000. Zunächst kam es um die Jahrtausendwende zu bedeutenden Übernahmen. 1999 kaufte die größte Luxusuhrengruppe der Welt, LVMH, für rund 1,5 Milliarden Schweizer Franken die Uhrenmarken TAG Heuer, Ebel und Zenith; ein Jahr später wechselten IWC, Jaeger-LeCoultre und A. Lange & Söhne für knapp drei Milliarden Schweizer Franken unter das Dach der Richemont-Gruppe. In den beiden Jahren erweiterte auch die dritte große Uhrengruppe, die Swatch Group, ihr Markenportfolio um Breguet und Glashütte Original.

Einen gigantischen Boom erlebte die mechanische Luxusuhr im beginnenden 21. Jahrhundert durch die Globalisierung und die rasant wachsende Bedeutung vor allem des chinesischen Marktes. Die Ausweitung der Absatzmärkte und die Vervielfachung potenzieller Kunden führten zu einem jahrelangen, durch verschiedene Krisen nur kurzfristig unterbrochenen Wachstum, zu einer Ausweitung des Angebotes an Marken und Modellen und vor allem zu einem stetig steigenden Preisniveau.

Heute sind die wichtigsten Uhrenhersteller weltweit agierende Luxusmarken, die durch die Marke selbst, das Design und die Ausstattung der Produkte sowie die Kommunikation eine hohe Begehrlichkeit beim Käufer wecken.

Die Kaufentscheidung für eine mechanische Armbanduhr wird heute von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dabei spielen das Markenimage sowie das Design inzwischen eine noch bedeutendere Rolle als die – ebenfalls wichtige – Mechanik beziehungsweise Handwerkskunst. Somit hat sich die Bedeutung der mechanischen Armbanduhr vom hochwertigen, technischen Gebrauchs- und Sammlerstück zu einem Luxusgut mit Statussymbol entwickelt. Über 3,5 Mio. Männer in Deutschland besitzen laut Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) eine mechanische Armbanduhr ab 500 Euro, und ungefähr 600.000 Männer planen den Kauf einer mechanischen Uhr im Wert von mehr als 500 Euro. Damit hat der deutsche Uhrenmarkt ein hohes Absatzpotenzial für Schweizer sowie deutsche Uhrenhersteller. Durch die immer noch eher geringe Durchdringung der männlichen Bevölkerung zeichnet sich ein Mehrfachbesitz von mechanischen Uhren ab.

Marktübersicht

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Markt für mechanische Armbanduhren von den Schweizer Uhrenmarken bestimmt, die geschätzt 90 Prozent Marktanteil besaßen. Das änderte sich erst nach der deutschen Wiedervereinigung, als in Glashütte in Sachsen alte Luxusuhrenmarken wie A. Lange & Söhne wiedergegründet wurden und neue entstanden. Heute beträgt der Marktanteil der Schweizer Uhren weltweit geschätzt 80 Prozent. Außerhalb der Schweiz werden vor allem in Deutschland Luxusarmbanduhren über 1.500 Euro gefertigt; an dritter Stelle ist Japan zu nennen, wo Marken wie Seiko, Citizen und Casio neben preisgünstigen Quarzuhren auch (in wesentlich geringeren Stückzahlen) teure Quarzuhren sowie mechanische Uhren herstellen.

Zu den wichtigsten Playern im heutigen Luxusuhrenmarkt zählen heute zum einen die Konzerne Swatch Group (18 Marken) und Richemont (11 Uhrenmarken) sowie LVMH (4 Marken) (siehe Punkt 2.2). Zum anderen sind es die beiden äußerst erfolgreichen Marken Rolex (im Besitz einer Stiftung) und Patek Philippe (in Familienbesitz).

Der Uhrenmarkt in Deutschland

Im Hinblick auf die Markenvielfalt gilt der deutsche Uhrenmarkt, neben dem Schweizer Markt, als einer der größten. In Deutschland gibt es über 100 Marken, die Armbanduhren anbieten. Dabei besitzen die wenigsten eine nennenswerte Fertigungstiefe. Meist werden Werke und Gehäuse extern eingekauft. Anders verhält es sich in den Uhrenzentren im sächsischen Glashütte und im Schwarzwald. Hier liegen auch die Wurzeln der deutschen Uhrmacherei. Ähnlich wie in der Schweiz entwickelte sich die Uhrmacherei in ländlichen Gegenden, in denen die dort lebende Bevölkerung im Frühjahr, Sommer und Herbst der Landwirtschaft nachging und in den Wintermonaten als Zuarbeiter der Uhrmacherei tätig war. In Glashütte beheimatet sind ein knappes Dutzend Uhrenmarken.

Im Schwarzwald ist vor allem Junghans zu nennen: Die Schramberger Firma war vor dem Ersten Weltkrieg der nach Stückzahlen größte Uhrenhersteller der Welt und ist bis heute die bekannteste deutsche Uhrenmarke. Neben weiteren wichtigen Playern gibt es auch kleine Betriebe, die kaum Kapital in Pressearbeit oder Marketing investieren und so einem breiteren Publikum nahezu unbekannt sind. Doch auch im Bezug auf Glashütte gibt es bei vielen Uhrenkäufern noch Aufklärungsbedarf, da nicht alle zwischen den dortigen Uhrenmarken unterscheiden können – manche Uhrenfans nehmen den Ort selbst als Marke wahr.

Der Uhrenmarkt in der Schweiz

Die Uhrenzentren der Schweiz befinden sich heute in Genf und im Schweizer Jura – mit dem Vallée de Joux und der Gegend um La Chaux-de-Fonds/Le Locle als Schwerpunkten. In der Schweiz sind die mit Abstand meisten hochwertigen Uhrenmarken beheimatet. Die Herkunftsbezeichnung „Swiss made“ gilt nach wie vor beim Käufer als Qualitätsgarant.

Markenübersicht der drei größten Konzerne:

 

Swiss made und Swissness

Die bisherige, seit 1971 geltende Swiss-made-Verordnung für Uhren wird zum 1. Januar 2017 teilweise revidiert, um die Herkunftsbezeichnung im Sinne der neuen „Swissness“ zu stärken: Damit „müssen für eine Uhr als Ganzes (Endprodukt) mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten in der Schweiz anfallen – anders als bisher, wo einzig auf das Uhrwerk abgestellt wurde. Das Uhrwerk bleibt aber wichtig, denn mindestens die Hälfte seines Wertes muss aus Bestandteilen schweizerischer Fabrikation bestehen und mindestens 60 Prozent seiner Herstellungskosten müssen in der Schweiz anfallen. Auch die technische Entwicklung einer „Swiss made“-Uhr sowie eines „Swiss made“-Uhrwerks muss künftig in der Schweiz erfolgen. Damit im Zuge der neuesten technologischen Entwicklungen auch die sog. „Smartwatches“ von der „Swiss made“-Verordnung für Uhren erfasst werden, wird der Uhrenbegriff entsprechend erweitert.“ [1]

[1] ige.ch

China und chinesische Käufer im Ausland

Chinesische Uhrenkäufer bilden seit gut zehn Jahren den größten Wachstumsmarkt für die Luxusuhrenbranche. Die Absatzmärkte sind neben der Volksrepublik China selbst, vor allem Hongkong als Freihandelszone, dazu Taiwan und Macao – zusammengenommen die Region, die „Greater China“ genannt wird. Da insbesondere Hongkong ein wesentlich niedrigeres Preisniveau hat als die VR China – dort gibt es u.a. keine Mehrwertsteuer – kommen seit Jahren viele Festlandchinesen nach Hongkong, um dort Uhren zu kaufen. Daher belegt Hongkong seit Jahren Platz eins der Schweizer Uhrenexportstatistik, vor den USA, die zuvor traditionell den Spitzenplatz einnahmen (zu den aktuellen Problemen siehe Punkt 3.1). Dazu kommen chinesische Touristen, die auf Urlaubsreisen in Asien (Japan, Südkorea) und Europa (Frankreich, Italien, Deutschland) sowie auf internationalen Flughäfen (Flughafenboutiquen) z. T. in großem Stil einkaufen.

Die Bedeutung der chinesischen Uhrenkäufer ist nicht hoch genug einzuschätzen. In China leben die meisten (Dollar-)Milliardäre der Welt, und die Zahl der Millionäre wächst weiter rapide, genau wie die Mittelschicht. Auch der Anteil der chinesischen Touristen am Umsatz vieler Marken in den oben genannten Ländern ist erheblich. Manche Marken bestreiten allein in Deutschland die Hälfte oder mehr ihres Jahresumsatzes mit chinesischen Touristen. Es gibt sogar Geschäfte, die ganz auf Chinesen ausgerichtet sind. Andere leisten sich zumindest einen chinesischen Verkäufer (native speaker).

Gründe für das Kaufverhalten der Chinesen im Ausland sind zum einen; das im Vergleich zur VR China deutlich niedrigere Preisniveau, vor allem in Europa, sowie die Möglichkeit, den Einkauf mit einer Urlaubsreise zu verbinden. Chinesen kaufen oftmals nicht nur eine Uhr für sich selbst, sondern mehrere Uhren, als Geschenke für die Familie, für Freunde und Geschäftspartner.

Werkeherstellung und der Begriff „Manufaktur“

In den neunziger Jahren etablierte sich unter Uhrensammlern und in der Branche der Begriff „Manufaktur“. Er sollte eine Uhrenmarke bezeichnen, die im Gegensatz zu anderen auch eigene Werke herstellt. Damals war das noch selten der Fall, weil die meisten Uhrenmarken Werke der Eta oder von anderen Werkeherstellern einkauften. Es gab keine offiziell festgelegte Definition, aber im gängigen Sprachgebrauch bezeichneten Brancheninsider eine Uhrenmarke dann als Manufaktur, wenn sie mindestens ein Uhrwerk, das sie in ihren Uhren benutzte, selbst produzierte oder exklusiv für sich selbst produzieren ließ. Der Begriff „Manufaktur“ erlangte in den späten neunziger und in den 2000er Jahren große Bedeutung, weil er einer Uhrenmarke eine erhöhte Glaubwürdigkeit verlieh. Bedeutende Marken wie Vacheron Constantin oder später Panerai und viele andere kamen um 2000 zur Einschätzung, es sich nicht mehr leisten zu können, keine Manufaktur zu sein. Dadurch und durch die 2002 von der Swatch Group angekündigte Lieferzurückhaltung von Werken und Komponenten der Eta begannen viele Hersteller mit der Produktion eigener Werke. Aber: Keine Marke schaffte es, ein einfaches Werk für eine Dreizeigeruhr (Handaufzug oder Automatik) günstiger anzubieten als die Swatch Group. Daher entwickelten die meisten eigene Werke mit Zusatzfunktionen. Heute ist die Zahl an Manufakturen unter den großen Marken relativ hoch, dass der Begriff selbst nicht mehr so oft benutzt wird. Für die Glaubwürdigkeit eines Uhrenherstellers und die Exklusivität seiner Produkte ist es aber wichtiger als je zuvor, eigene Werke herzustellen, zumal man sich damit auch weniger abhängig von Lieferanten macht.

Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen Manufakturen, die kaum oder gar keine Werke von Externen beziehen, sondern (fast) alles selbst herstellen (u.a. Rolex, Glashütte Original), und solchen wie Breitling, TAG Heuer, IWC und vielen anderen, die eine hohe Zahl selbst fertigen, aber auch Werke von Lieferanten wie Eta, Sellita und La Joux-Perret verwenden. Wieder andere bauen selbst hochwertige Kaliber oder Module, kaufen aber für ihre preiswerteren Uhren Fremdwerke ein (u.a. Montblanc, Cartier).

Aktuelle Situation der Uhrenbranche

Die neue Kaufzurückhaltung der Chinesen

Die seit Ende 2012 amtierende chinesische Regierung hat sich unter anderem den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben. Dazu zählt eine Luxussteuer, die bewirkt hat, dass im Land selbst mehr preisgünstige Uhren gekauft werden. Vor allem Longines, ohnehin seit Jahren sehr stark in China, hat von der Luxussteuer zusätzlich profitiert.

Seit Herbst 2014 reisen aber auch immer weniger Festlandchinesen zum Uhrenkauf nach Hongkong. Für den Zeitraum Januar bis August 2016 sanken die Schweizer Uhrenexporte nach Hongkong im Wert um 42,6% im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2014. Im stärksten Quartal 4/2011 betrug der Wert der Schweizer Uhrenexporte nach Hongkong 1,3 Milliarden Franken; im 2. Quartal 2016 waren es nur noch 592 Millionen Franken. Voraussichtlich wird Hongkong in der Exportstatistik bald wieder auf Platz zwei hinter den USA zurückfallen, obwohl auch die Exporte in die USA zurückgehen.

Schließlich sind seit Ende 2015 auch die Urlaubs- und Einkaufsreisen der chinesischen Touristen nach Europa deutlich zurückgegangen. Gründe sind die zunehmende Angst vor Terroranschlägen sowie die im November 2015 eingeführten neuen Visabestimmungen, nach denen Chinesen, die in die Schweiz einreisen wollen, persönlich ein Schweizer Konsulat in einer der größeren chinesischen Städte aufsuchen und sich dort ihre Fingerabdrücke abnehmen lassen müssen. Zwischen Januar und Juni 2016 besuchten 373.000 chinesische Touristen die Schweiz; im gleichen Zeitraum 2015 waren es noch 451.000 gewesen.

Nach der Deloitte-Luxusuhren-Studie 2016 schätzten 78% der befragten Luxusuhrenmanager, dass diese Visabestimmungen die chinesische Nachfrage nach Uhren in der Schweiz verringert bzw. signifikant verringert habe. Zurzeit kaufen Chinesen deutlich mehr in Japan, Thailand und Südkorea ein und weniger in Europa.

Hohes Preisniveau, Überkapazitäten und Krisenstimmung

Eine Kaufzurückhaltung ist nicht nur bei Chinesen spürbar, sondern auch bei Russen und Arabern. Auf den traditionellen Märkten, vor allem in Europa, ist das Geschäft mit der lokalen Kundschaft zwar relativ stabil, hier gibt es aber seit Jahren verstärkt Kritik an den zum Teil heftigen Erhöhungen des Preisniveaus verschiedener Uhren. Nicht wenige Käufer aus der Mittelschicht mussten die Erfahrung machen, dass jahrelanges Sparen auf ein bestimmtes Modell von den gleichzeitig steigenden Preisen konterkariert wurde. Das immer höhere Preisniveau hat bei vielen Uhrenliebhabern dazu geführt, dass sie statt neuer Uhren vermehrt preiswertere Vintage-Modelle kaufen (Punkt 6.3).

Aus Sicht der Hersteller wurden die meisten – zum Teil deutlichen – Preiserhöhungen der letzten Jahre durch die große internationale Nachfrage aufgefangen. Bereits infolge der Lehman-Krise 2008/2009 hatte sich eine kurzfristige starke Kaufzurückhaltung ergeben, wurde aber spätestens ab 2010 durch eine neue Boomphase abgelöst. Seit Anfang 2015 (starker Franken, oben beschriebene Entwicklungen) haben wir es mit einer neuen Krise zu tun. Die Schweizer Uhrenexporte fielen wertmäßig im ersten Halbjahr 2016 auf 9,5 Milliarden Franken im Vergleich zu 10,2 Milliarden Franken im Vorjahreszeitraum. Sowohl nach Wert wie nach Stückzahlen sind die Exporte 14 Monate in Folge gesunken.

Weitere Faktoren, die den Markt belasten, sind:

a)    Der seit Januar 2015 teurere Schweizer Franken:

Dieses Thema wird allerdings inzwischen nicht mehr so stark gewichtet, da sich der Kurs des Franken seit Mitte 2015 stabilisiert hat.

b)   Produktfälschungen:

Der Schweizer Uhrenverband FH (Fédération de l’industrie horlogère suisse) gibt an, dass jährlich weltweit 40 Millionen Fakes produziert werden – im Vergleich zu 30 Millionen echten Schweizer Uhren! Sowohl die Qualität als auch die Ähnlichkeit zu echten Modellen haben sich in den letzten Jahren immer weiter verbessert, sodass viele Fakes auf den ersten, manchmal auch auf den zweiten Blick kaum vom Original zu unterscheiden sind. Die sogenannten Fakes sind über das Internet leicht zu finden und zu bestellen. Einige werden vom Zoll eingezogen, viele erreichen aber die Kunden. Imageverlust ist eine Folge für Marken wie Rolex oder Cartier. Die Hersteller der Fälschungen sitzen vor allem in China, können aber nur schwer verfolgt werden. Marken und Verbände führen seit Jahren einen gemeinsamen Kampf gegen die Produktpiraterie, durchaus in dem Wissen, es wohl niemals völlig unterbinden zu können.

c)    Graumarkt:

Gerade die großen, erfolgreichen Marken und Gruppen üben auf den klassischen Fachhandel einen nicht unbeträchtlichen Druck aus. Um eine erfolgreiche Marke führen zu dürfen, muss der Fachhändler bestimmte Mindestmengen abnehmen, die ihrerseits einen hohen Anteil seines Budgets ausmachen. Da sich nicht alle Modelle gleich gut verkaufen, der Händler im nächsten Jahr aber wieder einkaufen muss, drohen dem Händler übervolle Lager. Daher kommt es vor, dass schwer verkäufliche Produkte gegen Rabatte verkauft werden oder in den Graumarkt wandern. Die Marken bekämpfen beide Phänomene, da jede größere Rabattierung am Image eines Luxusprodukts kratzt und daher schädlich für die Marke ist. Gleichzeitig kritisieren aber viele Händler, dass die Marken mit ihren hohen Erwartungen an das Einkaufsvolumen des Händlers diese Phänomene geradezu provozieren.

Laut der im September 2016 erschienenen Deloitte-Studie zur Schweizer Uhrenindustrie beurteilen 82 Prozent der führenden Manager die Zukunft der Schweizer Uhrenindustrie pessimistisch; 79 Prozent sehen in der schwächeren Auslandsnachfrage ein bedeutendes Risiko für die nächsten 12 Monate.

Vertriebsmodelle und Marketingmaßnahmen

Die Luxusuhrenindustrie ist allgemein sehr stark vom Fachhandel geprägt, der ihr direkter Kunde ist. In Deutschland werden die meisten hochwertigen Uhren traditionell über Juweliere verkauft. Alle Luxusuhrenmarken haben mit dem Fachhandel selektive Distributionsverträge abgeschlossen. Damit sichern sie sich zu, dass sie nicht jeden Händler, der ihre Ware vertreiben will, beliefern müssen, sondern es sich aussuchen können. Begründet wird das damit, dass eine Luxusuhr ein bestimmtes Ambiente, eine kompetente Beratung etc. braucht. Diese ausgewählten Fachhändler führen eine begrenzte Anzahl an Marken als offizielle Konzessionäre. Die Margen der Juweliere werden durch die Kapitalbindung, hohen Mieten und Personalkosten, hohen Versicherungsbeiträgen, Kosten für Sicherheitsausstattung und letztlich auch Rabatte, die der Fachhändler den Kunden gewähren muss, geschmälert. Die Uhrenmarken sind in den letzten Jahren dazu übergegangen, in den großen Metropolen eigene Boutiquen zu eröffnen. Sie dienen mehr dem Image und als Schaufenster, Geld verdienen die meisten Marken damit nicht. Die hohen Mieten für die 1a-Lagen, teure Personalkosten und eingeschränkte Auswahl durch das Monobrand-Konzept sind die Gründe (siehe auch Punkt 4.2).

Bedeutende Juweliershäuser

In Deutschland ist der größte Juwelier der Filialist Wempe mit 20 Geschäften in Deutschland sowie sieben weiteren in verschiedenen Ländern (New York, Paris, Wien, London, Madrid) sowie auf der MS Europa und der MS Europa 2; dazu kommen fünf Markenboutiquen. Wempe ist aber auch Uhrenhersteller und führt seit 2006 seine eigenen Uhrenlinien mit dem Namen Wempe Zeitmesser und Wempe Chronometerwerke. Weitere wichtige deutsche Juweliere sind Rüschenbeck (Hauptsitz Dortmund) und Christ mit seinem Hauptsitz in Hagen. Als größter aus der Schweiz stammender Filialist ist Bucherer zu nennen. Er hat seit den späten 1990ern viele Geschäfte in Deutschland übernommen (u.a. Huber, München und Wallner, Nürnberg), die jetzt als Bucherer-Läden geführt werden. Wichtige Filialisten in anderen Ländern sind u.a. in Asien (u.a. Singapur) „The Hour Glass“, in der Schweiz „Les Ambassadeurs“ und in den USA „Tourneau“.

Monobrand-Stores

Das klassische Fachhandelsmodell wird in den letzten Jahren mehr und mehr in Frage gestellt. Einerseits von kleinen Herstellern, die sich im Fachhandel unterrepräsentiert fühlen und durch Online-Shops und Direktvertrieb einen Ausgleich schaffen wollen. Andererseits von großen Luxusmarken, die mehr und mehr auf Monobrand-Stores und eigene Online-Shops setzen, um ihre Produkte in der eigenen, unverfälschten Markenwelt präsentieren zu können. Da Asiaten viel mehr als Europäer markenzentriert denken, gibt es die meisten Monobrand-Stores in Asien. Die Vorteile einer eigenen Boutique sind auf der einen Seite die Sammlung von Kontaktdaten der Endkunden, die sie vom klassischen Fachhändler nicht bekommen. Zum anderen entfällt die Juweliersmarge; die Marke verdient wesentlich mehr an der verkauften Uhr. Allerdings sind bei Weitem nicht alle Boutiquen in Markenbesitz. Viele Boutiquen verkaufen exklusiv Uhren nur einer Marke, gehören aber einem Juwelier.

Internethandel

Noch vor gut einem Jahrzehnt warnten praktisch alle Luxusuhrenmarken auf ihren Websites die Kunden davor, Uhren im Internet zu kaufen. Heute sind bereits viele Marken selbst im E-Commerce tätig. Was nicht heißt, dass der klassische Ladenverkauf verschwinden muss – jedenfalls kommt eine neue Schiene hinzu. Die E-Commerce-Umsätze steigen seit Jahren kontinuierlich. Und auch die Hersteller wollen davon profitieren. Gerade Richemont hat in den letzten Jahren viel in die Online-Präsenz der Konzernmarken investiert. Sehr teure Uhren sind oft noch vom E-Commerce ausgenommen, aber der Trend geht eindeutig in Richtung Internetverkauf. Anders als in den eigenen Boutiquen soll im Internet tatsächlich Geld verdient werden. Das Potenzial dafür ist mit niedrigen Kosten und hoher Marge vorhanden. Der Fachhandel sieht diese Entwicklung tendenziell mit Sorge und würde lieber selber übers Internet verkaufen, das aber lassen die meisten Marken nicht zu. Natürlich haben auch andere das Internet als Handelsplattform entdeckt. Somit kann man zum Beispiel über Chrono24 nicht nur gebrauchte Uhren kaufen, sondern findet meistens auch die aktuellen Modelle mit einem ordentlichen Preisnachlass. Diese sogenannte Grauware wird von Konzessionären an andere Händler weitergegeben. Entweder weil sie die Verkaufsaussichten in ihrem Ladengeschäft als gering einstufen, oder weil sie Umsatzvorgaben der Marken nicht anders erreichen können. Dieses Vertriebsmodell ist den Herstellern ein Dorn im Auge. Letztlich sind sie aber durch Preise, die sich nicht immer durchsetzen lassen und ebenso durch ambitionierte Umsatzvorgaben auch ein Treiber dieser Entwicklung.

Markenwelt und Luxus

Der heutige Uhrenmarkt und das aktuelle Käuferverhalten sind geprägt von Markenwelten. Zum Verkauf einer Uhr bedarf es heutzutage einer umfassenden, erfolgreichen und idealerweise globalen Marketingstrategie, die es schafft, Begehrlichkeiten zu wecken. Die Emotionen, die die (erfolgreichen) Luxusuhrenmarken bei den Kunden wecken, tragen mittlerweile weitaus mehr zur Kaufentscheidung bei als noch vor rund 20 Jahren, als harte Fakten wie die Exklusivität und die Performance von Uhrwerken sowie die Verarbeitungsqualität im Verhältnis höher geschätzt wurden als heute. Marken mit einer möglichst eindeutigen Positionierung und Kommunikation punkten bei den verschiedenen Käufer-Personas (s. 5.2.) wie z.B. den Mechanik-Einsteigern, den Performern und den wohlhabenden Hedonisten. All diese Zielpersonen haben tendenziell keine Zeit mehr für eine eingehende Recherche der Qualitäten und Fähigkeiten einer bestimmten Uhrenmarke/eines Uhrenmodells, sondern setzen auf ein möglichst zu ihnen passendes Image in der Selbstdarstellung der Marken. Auch das Mitwirken bei verschiedenen kulturellen Ereignissen, wie beispielsweise Sponsoring von Sportevents, stärkt die Kundenbindung und deren Identifikation zum Produkt.

Grundsätzlich bedeutet Marke Vertrauen. Nachhaltiges Vertrauen des Konsumenten wird die Marke aber nur dann erhalten, wenn sie glaubhaft ist. Mit Marketing allein kann man kein ausreichendes Vertrauen aufbauen. Eine Marke muss glaubhaft sein; sie muss das, was sie verspricht, erfüllen – ja sogar übererfüllen. Sie muss überzeugend für Werte stehen, die zu ihr passen und die sich zum Teil auch aus der Firmengeschichte ergeben.

Die mechanische Uhr als Luxusgut

Ein Luxusgut kann als eines jener Güter bezeichnet werden, die mit steigendem Wohlstandsniveau eine deutlich verstärkte Nachfrage erleben. Luxusgüter sind oftmals an einen sozialen Status gebunden und werden unbewusst oder bewusst als Statussymbol gesehen.[2]

Das Thema (mechanische) Uhren hat sich in den letzten Jahrzehnten, insbesondere nach der sogenannten Quarzkrise (auch Quarzrevolution), stark gewandelt. War die mechanische Uhr vor der Quarzära noch ein erforderlicher Gebrauchsgegenstand mit Instrumenten-Charakter, ist sie heute viel mehr ein Luxusartikel. Viele Menschen verzichten ganz auf eine Uhr, weil sie die Zeit woanders ablesen (Handy, Tablet-Computer etc.). Andere sind bereit, sehr viel Geld dafür auszugeben. Es besteht also keine Notwendigkeit mehr, eine (mechanische) Uhr zu besitzen. Während sich vor 20, 30 Jahren zunächst Uhrenliebhaber und -sammler an der Renaissance der mechanischen Uhr erfreut haben, kritisieren gerade diese heute die teilweise heftig ausfallenden Preissteigerungen. Die mechanische Uhr ist aber eben nicht mehr vordergründig unter dem Blickwinkel des Preises zu betrachten. Sie ist, ähnlich wie eine Tasche von Hermès, ein Schmuckstück von Bulgari oder ein Auto von Ferrari, im Alltag nicht erforderlich. Sie ist Luxus oder ein Stück Lebensart, Statussymbol, ein Ausdruck von Markenbewusstsein. Dafür sind heutige Endkunden bereit, Geld auszugeben.

Personas der Uhrenkäufer

In Deutschland gibt es laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA 2015) 3,5 Mio Männer, die bereits im Besitz einer mechanischen Armbanduhr sind und über 600.000 Männer haben die Absicht, eine Uhr im Wert von über 500 Euro zu kaufen (s.o. unter 1.). Für die genaue Beschreibung dieser Kernzielgruppe bieten die Sinus-Milieus einen guten Analyseansatz.

Die Sinus-Milieus liefern ein wirklichkeitsgetreues Bild der soziokulturellen Vielfalt der Gesellschaften, in dem sie die Werte der Menschen, ihre Lebensziele, Lebensstile und Einstellungen sowie ihren sozialen Hintergrund genau beschreiben. Für den Uhrenmarkt sind drei Sinus-Milieus besonders hervorzuheben (Erklärungen von Sinus):

1. Performer

„Die multioptionale, effizienzorientierte Leistungselite: globalökonomisches Denken; Selbstbild als Konsum und Stil-Avantgarde; hohe Technik und IT-Affinität; Etablierungstendenz, Erosion des visionären Elans

2. Hedonisten

Die spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht/untere Mitte: Leben im Hier und Jetzt, unbekümmert und spontan; häufig angepasst im Beruf, aber Ausbrechen aus den Zwängen des Alltags in der Freizeit

3. Konservativ-Etablierte

Das klassische Establishment: Verantwortungs- und Erfolgsethik; Exklusivitäts- und Führungsansprüche, Standesbewusstsein; zunehmender Wunsch nach Ordnung und Balance

Die meisten Uhrenkäufer stammen laut verschiedenen Umfragen und Studien aus diesen drei Milieus. Durch den Wandel der mechanischen Uhr zu einem Luxusgut haben sich dementsprechend auch die Uhrenkäufertypen verändert. Vom Performer, der sich stark an Erfolg und Karriere orientiert und sich als Teil einer Leistungs- und Stilelite begreift, über den Hedonisten, der einen erlebnisorientierten und konsumfreudigen Lebensstil pflegt, bis hin zum qualitätsbewussten Konservativ-Etablierten, der besonders viel Wert auf Exklusivität und Wertbeständigkeit legt.

Die definierten Personas von Chronos sind sowohl der Besserverdiener, als auch der Konsumfreudige, die zum größten Teil zum Milieu der Performer zählen. Diese werden mit kompetenten und Überblick gebenden Artikeln angesprochen. Ein weiterer Lesertyp ist der kulturell Interessierte, der zum Milieu der Konservativ-Etablierten gehört. Er sucht in der Chronos vor allem nach qualitativ hochwertigem Hintergrundwissen und findet das in zahlreichen Tests und Artikeln über Technik und Handwerkskunst. Aber auch der Aufsteiger, der sich für die neusten Trends und In-Marken interessiert, wird mit Erklärungen von Marken und emotionalen Bildstrecken abgeholt. Dieser Lesertyp kann zu dem Milieu der Hedonisten gezählt werden. Das Uhren-Magazin beschreibt seinen Leser als männlich, mittleren Alters und in einer führenden Position tätig. Da er bereits den Wunsch hat eine Uhr zu kaufen, möchte er Kaufberatung in Form von Vergleichstests und Artikeln mit viel Hintergrundwissen. Die Website Watchtime.net spricht mit ihren Angeboten verschiedene Zielpersonen an. Dazu zählen Personas, wie der Geschäftsführer, der Investor und der Unbestechliche, die dem Milieu der Konservativ-Etablierten oder der Performer zugeordnet werden. Sie möchten nicht lange nach Informationen suchen und legen viel Wert auf kompetentes Fachwissen. Auf der anderen Seite werden Themen behandelt für Einsteiger, sowie die aktuellen Trends und Neuigkeiten aus der Branche für den sogenannten Hipster. Diese Personas können den Performern zugeordnet werden, aber auch zu einem weiteren Milieu, der Liberal-Intellektuellen.

Produkte und ihre Trends

Mechanische Luxusuhren sind heute in der Regel hochwertiger als im 20. Jahrhundert. Moderne Produktionsmethoden mit geringen Toleranzen ermöglichen präzisere Werk- und Gehäusetechniken. Außerdem verwenden in den letzten Jahren immer mehr Hersteller eigene oder exklusiv zugelieferte Uhrwerke. Durch diese entwicklerische Eigenleistung wird das Produkt ideell – und im Idealfall auch technisch – aufgewertet. Durch die vielfachen Preissteigerungen ist eine Lücke im Preisbereich bis 4000 Euro entstanden. Seit einigen Jahren reagieren die Hersteller langsam, aber vermehrt darauf und füllen besagten Preisbereich wieder mit attraktiven Modellen.

Die beliebtesten Uhren im Ländervergleich

  Deutschland China USA
Platz      
1 Submariner (Rolex) Datejust (Rolex) Datejust (Rolex)
2 Datejust (Rolex) Seamaster (Omega) Submariner (Rolex)
3 Seamaster (Omega) Daytona (Rolex) Seamaster (Omega)
4 Daytona (Rolex) Submariner (Rolex) Daytona (Rolex)
5 GMT-Master (Rolex) Luminor (Panerai) Royal Oak Offshore (AP)
6 Luminor (Panerai) Calatrava (Patek Philippe) Luminor (Panerai)
7 Speedmaster (Omega) Speedmaster (Omega) Speedmaster (Omega)
8 Royal Oak Offshore (AP) GMT-Master (Rolex) GMT-Master (Rolex)
9 Sea-Dweller (Rolex) Royal Oak Offshore (AP) Royal Oak (AP)
10 Fliegeruhren (IWC) Constellation (Omega) Chronomat (Breitling)
11 Day-Date/President (Rolex) Day-Date/President (Rolex) Calatrava (Patek Philippe)
12 Chronomat (Breitling) El Primero (Zenith) Bing Bang (Hublot)
13 Navitimer (Breitling) Santos (Cartier) Day-Date/President (Rolex)
14 Explorer II (Rolex) De Ville (Omega) Master (Jaeger-LeCoultre)
15 Carrera (TAG Heuer) Portugieser (IWC) Carrera (TAG Heuer)

Quelle: Chronos Ausgabe 05/2012/Chronolytics

Dieses Ranking der beliebtesten Uhrenmodelle basiert auf Daten des Marktforschungsunternehmens Chronolytics, das auf die Zahlen von Chrono24.com zurückgreift. Bei der genauen Betrachtung der aufgelisteten Uhrenmodelle fällt zuerst auf, dass Deutschland das Land mit den meisten Sportuhren ist. Neun der ersten zehn sind sportlich und zusätzlich ist der Anteil an Rolex und Breitling sehr hoch.

In China hingegen sind elegante Uhren beliebter als in Deutschland und den USA. Sportuhren werden deutlich weniger nachgefragt, und besonders Breitling ist deutlich schwächer als in Europa oder den USA. Audemars Piguet (AP) ist dafür in den USA besonders stark und auch Hublot ist deutlich stärker als in Deutschland und China. Die beliebteste Uhrenmarke in allen drei Ländern ist eindeutig Rolex, die zwischen vier und fünf Mal in jeder Top 10 auftaucht. Bei der länderübergreifenden Beliebtheit folgen nach Rolex die Marken Omega und Audemars Piguet.

Smartwatches

Mit der Einführung der ersten Apple Watch 2015 haben sich die weltweiten Verkäufe von Smartwatches dramatisch erhöht. Laut Deloitte-Studie 2016 wurden im 4. Quartal 2014 weltweit 1,9 Millionen Smartwatches verkauft; im gleichen Zeitraum 2015 waren es schon 8,1 Millionen – verglichen mit 7,9 Millionen Uhren Schweizer Provenienz. Das Marktforschungsunternehmen Gartner sagt voraus, dass 2016 weltweit insgesamt 50 Millionen Smartwatches verkauft werden – im Vergleich zu 30 Millionen 2015 ein Anstieg um 67 Prozent (zit. n. Deloitte). Auch wenn Apple-Kritiker den Erfolg im Verhältnis zu früheren Erfolgsstorys wie der des iPhones und im Verhältnis zu den Erwartungen von Apple selbst als mäßig einschätzen, hat sie dennoch die Uhrenlandschaft gehörig durcheinandergewirbelt. Mit einem geschätzten Uhren-Umsatz von 4,5 Milliarden Franken ist Apple schon jetzt nach Rolex (geschätzt 4,9 Milliarden Franken) der zweitgrößte Uhrenhersteller der Welt.

Von den Schweizer Uhrenherstellern haben bislang nur wenige auf das Thema Smartwatch reagiert. Auf die Apple Watch gibt es bislang keine flächendeckende und schon gar keine einheitliche Reaktion. Es gibt verschiedenste Ansätze von verschiedensten Herstellern. So gibt es Connected Watches, die sich über Bluetooth oder NFC mit dem Smartphone verbinden, dies erleichtert die Einstellung oder ermöglicht das Sich-Ausweisen. Ebenfalls sind Bezahlfunktionen möglich. Hier gibt es auch im Luxusbereich Lösungen, z.B. von Breitling oder Bulgari. TAG Heuer hat bisher als einziger klassischer Schweizer Uhrenhersteller eine richtige Smartwatch entwickelt, die sich trotz ihres Preises von über 1.300 Euro gut verkauft hat: Laut Firmenchef Jean-Claude Biver hat TAG Heuer 2016 rund 50.000 Exemplare der TAG Heuer Connected verkauft; für 2017, wo eine zweite Generation lanciert wird, sieht er ein Potenzial von 150.000 Exemplaren. Uhren mit smarten Zusatzfunktionen, die in den Bereich Smartwatch zielen, gibt es auch von Swatch, Tissot und – wieder etwas hochwertiger – von Frédérique Constant und Alpina. Bei letzteren stehen Gesundheitsfunktionen im Vordergrund (Schritt- und Herzschlagzähler, Erinnern ans Aufstehen etc.).

Der Begriff „Wearable“ wird von der Uhrenindustrie (z.B. IWC) als integrierte „smarte“ Funktionen in einem Teil der Uhr, z.B. dem Armband, verstanden. So hat Montblanc einen entsprechenden Armbandzusatz entwickelt, der an den Bändern klassischer mechanischer Uhren befestigt werden kann. Wie sich der Bereich weiterentwickeln wird, ist unklar. Bislang sind die ersten Smartwatches à la Apple Watch von ihren Möglichkeiten her eingeschränkt und nicht sehr attraktiv; man kann allerdings davon ausgehen, dass die Funktionalität zunehmen wird. Sobald die Apple Watch Funktionen integriert, die sie unabkömmlich macht: Wenn sie irgendwann Schlüssel, Portemonnaie und Handy ersetzen kann, wird die Frage eher sein, ob man am anderen Handgelenk noch eine mechanische Uhr trägt.

Es gibt aber auch die Hoffnung klassischer Uhrenhersteller, dass junge Menschen, die oft gar keine Armbanduhren tragen, über die Smartwatch an das Thema Armbanduhr herangeführt werden – das Schlagwort lautet Rückeroberung des Handgelenks. Wer aber eine Smartwatch grundsätzlich nicht missen möchte, dessen Handgelenk könnte für eine mechanische Uhr auch ganz verloren gehen. Das ist der Grund für Marken wie TAG Heuer, sich in dem Bereich zu engagieren; auch, um Erfahrungen zu sammeln und ggf. schneller auf neue Entwicklungen und Trends reagieren zu können. Generell wird die Smartwatch nicht als Konkurrenz zu hochpreisigen Uhren verstanden, durchaus aber als Konkurrenz zu Uhren im unteren und unteren mittleren Preisbereich. Die Hersteller der Smartwatches ihrerseits sind bemüht, auch das Design ihrer Uhren zu verbessern. So hat Samsung den Besitzer der Schweizer Uhrenmarke Artya, Yvan Arpa, bereits mit der Gestaltung einer Smartwatch beauftragt. Die Apple Watch hat 2015 den begehrten Red Dot Design Award gewonnen. Apple bietet außerdem Smartwatches mit hochwertigen Lederarmbändern von Hermès an. Der amerikanische Markt für mechanische Uhren aus der Schweiz liegt in diesem Jahr 10 Prozent unter dem Vorjahr, obwohl die Konjunktur gut läuft. Dieser Rückgang könnte zum Teil von Smartwatches verursacht sein. Denn besonders im Preissegment zwischen 200 und 500 CHF sind meistens Smartwatches positioniert und genau in dieser Preiskategorie mussten starke Rückgänge bei den Ausfuhrzahlen von Schweizer Uhren verzeichnet werden.[3]

[3] FHS

Vintage-Uhren

Der Begriff „Vintage“ wird teilweise mit unterschiedlicher Bedeutung gebraucht. Eigentlich sind damit Uhren gemeint, die ein oder mehrere Jahrzehnte alt sind und auf dem Gebrauchtuhrenmarkt gekauft werden. Eine offizielle, allgemein verbindliche Definition für „Vintage“ gibt es allerdings nicht. Nicht als Vintage, sondern als „Retro“ bezeichnet man dagegen neue Modelle, deren Design sich auf Vorbilder aus früheren Jahrzehnten bezieht. Der Gebrauchtuhrenmarkt besteht vor allem aus den Kanälen Auktion (auch Online-Auktion), Sammlerbörse, Gebrauchtuhrenhändler mit Ladengeschäft und Verkaufsplattform im Internet. Sehr gefragte, hochwertige und teure Stücke wechseln vor allem auf Auktionen den Besitzer. Beobachtet man die Preisentwicklung gerade auf Auktionen, erkennt man seit vielen Jahren vor allem zwei Marken, die in Sachen Werterhalt sehr erfolgreich sind: Patek Philippe und Rolex. Beide erzielen regelmäßig Höchstpreise mit besonders gefragten Modellen; der Werterhalt bei beiden Marken ist im Durchschnitt sehr hoch. Erfolgreich auf Auktionen, Börsen und Verkaufsplattformen im Internet sind aber auch Marken wie Audemars Piguet, Vacheron Constantin, Omega, Zenith oder Longines. In den letzten Jahren hat der Vintage-Uhren-Markt unter anderem davon profitiert, dass viele neue Luxusuhren zu immer höheren Preisen angeboten wurden. Somit stellte der Kauf einer historischen Uhr eine interessante Möglichkeit dar, eine Uhr einer bekannten Marke zu einem attraktiven Preis zu bekommen.

Berufsbild des Uhrmachers im Wandel

Der Beruf des Uhrmachers ist weiterhin stark nachgefragt. Die Absolventen einer deutschen Uhrmacherschule haben im Normalfall keine Probleme, nach der Berufsausbildung eine Festanstellung zu finden. Es gibt viele hochwertige mechanische Uhren, die zum einen produziert und zum anderen gewartet und repariert werden müssen. Deshalb landen viele Absolventen bei der klassischen Schweizer Uhrenindustrie in der Produktion oder in einer Service-Werkstatt in Deutschland.

 

7.1. Produktion

Die Uhrenproduktion heute hat mit der romantischen Vorstellung von einem Uhrmacher, der in seiner Werkstatt in mühsamer Handarbeit eine mechanische Uhr herstellt, nicht mehr viel zu tun. Das beschriebene Bild handwerklicher Fertigung gibt es noch, es beschränkt sich aber auf die Herstellung extrem komplizierter Uhrwerke und Uhren, die keine großen Stückzahlen ausmachen. Hier ist es in der Tat meist ein einzelner Uhrmacher, der in monatelanger Arbeit das Werk baut und schließlich ins Uhrgehäuse einschalt. Der Alltag besteht dagegen aus einer industrialisierten Produktion, bei der die menschliche Arbeit des Konstrukteurs, Ingenieurs, Uhrmachers oder Dekorateurs von vielfältigen computergesteuerten Arbeitsprozessen unterstützt wird.

Als Faustregel gilt: Je teurer das Produkt, desto mehr Handarbeit ist im Fertigungsprozess enthalten.

 

7.2. Reparatur und Service

Gegenüber elektronischen Uhren haben mechanische den Vorteil, dass ihre Technik grundsätzlich nicht mehr veralten kann, eben weil sie schon veraltet ist. Während der Käufer einer Smartwatch damit rechnen muss, dass seine Uhr nach zwei Jahren nicht mehr dem dann aktuellen technischen Stand entspricht (analog zu den Handys), gilt das für mechanische Uhren nicht. Sie sind wirklich – in Anlehnung an die seit zwei Jahrzehnten laufende Kampagne von Patek Philippe, „schon für die nächste Generation“, also zum Vererben gemacht. Und zumindest gängige Mechanik kann auch in Jahrzehnten noch repariert werden.

Vorausgesetzt, es gibt genügend gut ausgebildete Uhrmacher. Daher ist die Sorge um den Nachwuchs ein Anliegen der gesamten Branche. Hersteller, die nachhaltig arbeiten, wissen, dass es nicht nur ums Verkaufen gehen darf. Denn ein Kunde, der eine Uhr für einen vier-, fünf- oder sechsstelligen Betrag kauft, muss davon ausgehen können, dass er sie auch in Jahren (und Jahrzehnten) noch warten und reparieren lassen kann. Es geht dabei nicht nur darum, dass eine Uhr echten Schaden nimmt. Auch wenn ihr nichts Schlimmes widerfährt, altern die im Inneren verwendeten Öle und Fette. Die meisten Hersteller empfehlen daher, eine Uhr alle drei bis fünf Jahre zum Service zu bringen. Dieser beinhaltet in der Regel das komplette Zerlegen, Reinigen und Neu-Ölen des Werks, das dann wieder ins Gehäuse eingeschalt wird. Dazu eventuell ein neues Lederband bzw. das Reinigen des Metallbands. Viele Uhrenkäufer allerdings bringen ihre Uhren nicht so regelmäßig zum Service. Verständlich, denn der ist ausgesprochen teuer: Normalerweise muss der Kunde mehrere Hundert Euro bezahlen, zum Teil sind auch vierstellige Beträge fällig, etwa 1.653 Euro für einen Chronographen von Patek Philippe. Und der Kunde muss die Uhr für viele Wochen, oft monatelang, entbehren. Ein Umstand, der bei vielen Kunden Unwillen hervorruft.

Einzelne Fachhändler leisten sich angestellte Serviceuhrmacher immer seltener. Zwar bedeuten ein oder mehrere Uhrmacher für einen Juwelier Kompetenz gegenüber dem Endkunden, andererseits ist der Uhrmacher ein Kostenfaktor – obwohl er verhältnismäßig wenig verdient. Attraktiv ist der Uhrmacherjob vor allem für Spitzenleute, die bei Topmarken in der Schweiz (oder in Glashütte) arbeiten können. Dementsprechend dünn ist es um den Nachwuchs bestellt. Zwar bilden viele Uhrmarken (wie A. Lange & Söhne) selbst Uhrmacher aus, aber unterm Strich sind das nicht viele. Vor allem in der Breite fehlt es, und zwar weltweit.

Ausblick
  • Die großen Luxusuhrenmarken werden weiterhin erfolgreich sein, wenn es ihnen gelingt, die lokale und globale Kundschaft mit wirklich begehrenswerten, vernünftig bepreisten Uhren zu überzeugen.
  • Die aktuelle Absatzkrise der Luxusuhrenindustrie, hervorgerufen vor allem durch die Zurückhaltung der Käufer in Hongkong, China und die chinesischen Touristen, wird langsam abflachen, indem sich die Hersteller verstärkt anderen Märkten und neuen Produkten zuwenden. Der Boom, der die genannten Märkte in den letzten Jahren kennzeichnete, wird so allerdings nicht zurückkehren.
  • Es ist nicht zu erkennen, dass der Wegfall dieser Boommärkte schnell durch neu aufkommende große Boommärkte (z.B. Indien) kompensiert werden könnte.
  • Die aktuelle Absatzkrise wird bei vielen Anbietern von Luxusuhren zu einer Bereinigung des Produktportfolios führen. Viele Luxusuhrenanbieter werden neue Produkte zu moderateren Preisen anbieten.
  • Die Marken werden auch weiterhin ihren Konzessionären dabei helfen, neue Modelle einkaufen zu können, indem sie schwer verkäufliche Ware aus deren Lägern zurücknehmen (dieser Prozess hat schon längst begonnen).
  • Luxusuhren werden auch in Zukunft fast ausschließlich mechanische Werke beinhalten.
  • Der Luxusuhrenmarkt wird weiterhin in erster Linie von Schweizer, in zweiter Linie von deutschen und in dritter Linie von japanischen Herstellern bestimmt werden.
  • Smartwatches werden mit neuen, zusätzlichen Funktionen und attraktiveren Designs aufwarten. Sie werden weiterhin eine wachsende Konkurrenz für Uhren im unteren und unteren mittleren Preisbereich darstellen.