Branchenumsatz in einem flachen Markt
Die Deutschen sind seit Jahren gut mit Brillen und Kontaktlinsen versorgt, entsprechend flach entwickelt sich der Markt. Experten sprechen von einem „gesättigten Markt“, was allerdings die demografische Entwicklung zunächst außer Acht lässt.
Der Umsatz der stationären Augenoptikfachgeschäfte, das heißt der stationären Fachgeschäfte sowie des Onlinehandels wuchs auch 2015 weiter auf 5,831 Mrd. Euro (plus 3,6%) an. Die Stückzahlen bei verkauften Brillen und Brillengläsern stiegen, das Plus von 2,2% zum Vorjahr fällt bei den Brillen und bei den -gläsern (2,3%) geringer aus als der Umsatz. Im Vergleich zur Entwicklung vor 2015 steigt der Online-Vertrieb erstmals flacher an (siehe Tabelle 1, Quelle: ZVA, Branchenbericht 2015/16).
Tabelle 1: Augenoptik Umsatz (Quelle ZVA, 2017)
Hilfreiche demographische Entwicklung
Die meisten Menschen werden mit etwa 50 Jahren alterssichtig (presbyop), das heißt, auch wenn sie vorher keine Brille hatten, brauchen sie dann eine Brille oder Kontaktlinsen zum Lesen. Gutes Sehen ist gerade im Alter Voraussetzung zur weiteren Teilhabe am sozialen Leben.
Meist werden Fertigbrillen zum Übergang genutzt, ein Markt, der häufig an der Augenoptik vorbeiläuft. Nur 18% der Fertigbrillen werden bei Augenoptikern, der überwiegende Teil bei Discountern (Aldi, Lidl), Tankstellen oder Drogeriemärkten verkauft. 2014 besaßen mindestens 10,4 Millionen Deutsche eine Fertigbrille.
Grafik 3: Entwicklung bei den Fertiglesebrillen in Deutschland
Häufig werden diese Fertig-Varianten in verschiedenen Farben angeschafft, jeweils im Büro, im Auto oder sonst wo deponiert.
Bis zum Jahr 2020 wird das Segment der Presbyopen (Alterssichtigen) rund eine Million zusätzlicher Kunden an die Theken der Augenoptiker bringen. Dazu kommen die Flüchtlinge, die in diesen Entwicklungen noch nicht berücksichtigt sind.
Fehlsichtige Presbyope (meist plus 45-Jährige) benötigen in der Regel Gleitsichtgläser, bei denen die Übergänge zwischen Nah- und Fernbereich fließend sind. Eine Alternative sind sogenannte bifokale- oder auch trifokale Brillengläser, die mit einer entsprechenden zusätzlichen Linse für die jeweiligen Sehbereiche ausgestattet sind. Letztere sind zwar kostengünstiger, aber auch weniger ansprechend, weil sie die „Alterssichtigkeit“ nach außen erkennbar machen. Zudem ist der Sehkomfort in der Regel größer. Gleitsichtgläser sind heutzutage in verschiedenen Qualitätsstufen käuflich – zwischen rund 100 und 800 Euro pro Stück. Klar ist: Die Brillengläser sind zurzeit die ausschlaggebenden Umsatzbringer für den Augenoptiker. (Siehe „Womit verdienen Augenoptiker ihr Geld?“)
Grafik 4: Demographische Entwicklung der Fehlsichtigen in Deutschland
Branchenstruktur: Konzentration und neue Player
Die augenoptische Branche ist in den vergangenen Jahren von Konzentrationsprozessen gekennzeichnet. Die Zahl der augenoptischen, stationären Fachgeschäfte nimmt seit etwa vier Jahren ab, 2015 auf 11.900 (Vorjahr: 11.950). Dementsprechend sinken auch die Zahlen der Inhaber und Beschäftigten. 57% der augenoptischen Fachbetriebe ist in Einkaufsgemeinschaften organisiert, mit sinkender Tendenz. 45% der augenoptischen Betriebe hatte einen Jahresumsatz von weniger als 250.000 Euro (siehe Tabelle 2).
Grafik 5: Anzahl der AO Fachgeschäfte, Quelle: ZVA, 2017
Der Einfluss von marktbestimmenden Ketten ist in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland – etwa zu Frankreich oder den UK – gering, doch wächst die Marktmacht der Filialisten in den vergangenen Jahren. 2015 hatten die Top-Ten der Filialisten 2.030 Geschäfte, mit diesen 17,1% der Betriebsstätten erzielten sie 40,14% des Branchenumsatzes (siehe Tabelle 2). Eine Fielmannfiliale verkauft laut Spectaris im Durchschnitt 35 Brillen am Tag, der mittelständische Augenoptiker knapp zwei.
Tabelle 2: Die Top-Ten der Augenoptik, Quelle: ZVA, 2017
Rund 4% des Branchenumsatzes werden bisher online erwirtschaftet (siehe Tabelle 3). Dies ist im Vergleich zu Bekleidung und Schuhen (42%) oder Büchern (64,5%) gering. Hintergrund ist, dass der Beratungsbedarf bei einer Brille relativ hoch ist. Die Kunden wollen zumindest bisher ihre Fassungen ausprobieren und anfassen. Gerade im lukrativen Segment von Gleitsicht-Brillen tut sich der Verkauf über das Internet bisher schwer. Technische Neuentwicklungen könnten dies künftig ändern. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir (...) virtuelle Augenglasbestimmungen und selbst erzeugte Verordnungen erleben“, prognostizierte beispielsweise der Geschäftsführer der „Federation of Ophthalmic and Dispensing Opticians“, David Hewlett, bei einer Veranstaltung in Mainz (2017).
Grafik 6: Augenoptik online, Quelle: ZVA
Liste der augenoptischen Onliner, die Brillen, Brillengläser, Kontaktlinsen und Pflegemittel verkaufen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
www.misterspex.de
www.aceandtate.de
www.brille24.de
www.brillen.de
www.lenbest.de
www.my-spexx.de
www.brillen-butler.de
www.be2look.net
www.edel-optics.de
www.1a-sehen.de
www.netzoptiker.de
www.linsenplatz.de
www.sehshop.de
www.topglas.de
www.lensbest.de
www.brilledirekt.de
Interessant sind neue Player am Markt, wie beispielsweise KIND Hörgeräte. Die Akustik-Filialkette hält rund 70 Betriebsstätten in Deutschland. Ziel ist nach einem eyebizz-Interview (http://www.eyebizz.de/branche/kind-macht-schoene-augen/), dass 20 bis 30% der bestehenden Fachgeschäfte neben Hörakustik auch Brillen verkaufen sollen. Mitte 2017 waren es schon 45 augenoptische KIND-Filialen, bis zum Jahresende sollen es 70 werden. Andere erfolgreiche Konzepte sind VIU oder Ace & Tate, die On- und Offline-Handel in ihrem Geschäftskonzept verknüpfen. Solche Neuzugänge zeigen, wie stark der Markt in Bewegung ist.
Tabelle 3: Stationäre Augenoptik, Quelle: ZVA, 2017
Grafik 7: Konzentration im augenoptischen Markt: Stationäre Augenoptiker versus Filialisten. Quelle ZVA, 2016
Technologische Trends
Augmented Reality ist ein Trend, der nicht nur über Google gepusht wurde. Entsprechende Brillen für Gamer sind auf allen Computermessen ein Hype. Diese Technologie, die mithilfe von Brillen 3D-Wahrnehmungen aus Computern vor die Augen der Nutzer bringt, wird auch in der Augenoptik mehr und mehr eine Rolle spielen. Die Herausforderung für die augenoptische Industrie besteht darin, solche Brillen auch für Fehlsichtige nutzbar zu machen. Boeing, Daimler und UPS nutzen die Brillen.
„Smart Glasses“ werden zum Beispiel in den Logistikzentren und in der Produktion bei Volkswagen eingesetzt. Die Technologie wird aktuell z.B. von Zeiss in Zusammenarbeit mit der Telekom weiterentwickelt. eyebizz berichtet: http://www.eyebizz.de/eyebizz-news/volkswagen-setzt-augmented-reality-brillen-in-der-logistik-ein/
Die in den vergangenen Jahren erst entwickelten 3D-Sehtests (z.B. von Paskal www.eyebizz.de) haben das 3D-Thema mitten in die Branche katapultiert. Die nächsten Schritte zu Sehtests, die direkt am Computer erfolgen können, sind laut Entwicklern aus der Industrie absehbar, stehen jedoch in den nächsten Jahren nicht unmittelbar bevor.
Smarte Kontaktlinsen können heute schon über die Tränenflüssigkeit den Blutzuckerspiegel messen. Hightech-Brillen machen heute schon Krebszellen für Ärzte und Chirurgen sichtbar. http://www.focus.de/gesundheit/arzt-klinik/news/medizinischer-fortschritt-mit-dieser-high-tech-brille-koennen-aerzte-krebszellen-sehen_id_4767990.html
3D Drucker drucken seit etwa zwei Jahren individuell auf den jeweiligen Träger und sein Gesicht zugeschnittene Brillen. Demnächst die individuelle Brille aus dem Drucker des Optikers des Vertrauens? Das ist keine Zukunftsmusik, wird sich sicher aber noch weiter ausbreiten und vor allem qualitativ perfektionieren lassen. https://www.framepunk.com/blogs/news/90347331-eroffnung-brillen-nach-mass-aus-dem-3d-drucker
Die Refraktive Chirurgie durch Augenkliniken und Augenärzte bietet heute beachtenswerte Möglichkeiten, Fehlsichtigkeiten durch unterschiedliche Laser-Methoden oder operative Eingriffe am Auge zu beheben (https://www.sehen.de/sehen/operation-statt-brille/andere-operations-verfahren/). Einer der am weitesten verbreiteten Eingriffe ist die Implementierung einer Intraokularlinse beim Grauen Star. Retina Implantate können heute schon Blinde wieder schemenhaft sehend machen. Doch auch viele junge Leute lassen sich ihre Fehlsichtigkeiten aus kosmetischen Gründen weglasern. 50plus lässt sich eine multifokale Intraokular-Linse einsetzen, die das scharfe Sehen in unterschiedlichen Entfernungen ermöglicht. Eine alternative Lösung ist, Führungsauge und das zweite Auge jeweils mit Linsen für Entfernungssehen oder Nahsicht zu versorgen. Bei allem wissenschaftlichen Fortschritt bleibt der Eingriff am gesunden Auge jedoch ein Risiko. Dachte man anfangs, in der refraktiven Chirurgie einen gefährlichen Konkurrenten für die Augenoptik auszumachen, ist das Verhältnis der Augenoptiker heute gelassener. Die Anzahl der Eingriffe steigt zwar laut Statista auch in den vergangenen Jahren kontinuierlich bis auf 139.000 Stück pro Jahr kontinuierlich an. Doch nach der Operation bleiben die Mehrzahl der behandelten Kunden beim Augenoptiker: Brille und Kontaktlinsen werden meist nicht auf Dauer überflüssig.